Die Einladung des Evangeliums

Viele der alten Evangeliumsbrunnen, die unsere Väter gruben, sind von modernen Philistern aufgefüllt worden. Sie haben ihre Skepsis und ihre Philosophien hineingeworfen, so dass der fast volle Brunnen es einem beinahe unmöglich macht, noch einen Tropfen klaren Wassers daraus zu schöpfen. Diese Menschen behaupten, man solle die Bibel mit dem Koran und den alten persischen Manuskripten auf dasselbe Regal stellen und sie auch in demselben Geist lesen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht jemand vorbeikommt und einen Ziegel, einen Stein oder einen Kadaver in diesen alten Evangeliumsbrunnen wirft.

Uns wird gesagt, alles, was die Welt wolle, sei Entwicklung. Dabei wird jedoch die Tatsache vergessen, dass die Welt sich ohne das Evangelium immer negativ entwickelt. Wenn man die Religion Christi aus dieser Welt herausnähme, würde sie im Verlauf von 100 Jahren wieder in die “fünf Elemente” des Universums zurück verfallen. Dennoch gibt es eine große Anzahl von Philosophien und Menschen, deren ganze Arbeit darin besteht, diese christlichen Brunnen aufzufüllen.

Aufgrund dessen wird es dir nicht sonderbar erscheinen, wenn der Isaak, der heute Morgen zu dir spricht, den Versuch unternimmt, manche dieser alten Brunnen seines Vaters Abraham aufzugraben. Es wird dich auch nicht überraschen, wenn er diese bei denselben alten Namen nennt.

Bring deine Schaufeln und Spitzhacken und wir werden einen Brunnen ausgraben: den Brunnen der Einladung des Evangeliums. Ich nehme an, dass du bereits bemerkt hast, dass religiöse Ansprachen heutzutage größtenteils in das Abstrakte und Umschreibende übergegangen sind. Es ist dir bewusst, dass das Wort “Sünder” beinahe ganz aus dem christlichen Wortschatz verschwunden ist, weil dessen Gebrauch jetzt als unhöflich angesehen wird. Es sei methodistisch oder altmodisch. Wenn du Menschen über ihren sündigen Zustand aufklären willst, müsstest du es folgendermaßen ausdrücken: Sie seien geistlich unstet, besäßen moralische Defizite oder ihnen fehle eine richtige geistliche Entwicklung. Das in Vergessenheit geratene Lied “Come ye Sinners, Poor and Needy” [zu deutsch: “Kommt, ihr Sünder, arm und dürftig”] habe ich seit zwanzig Jahren nicht mehr gehört.

Denn erstens seien sie keine Sünder, und zweitens seien sie weder arm noch bedürftig. Ich habe “Christen” in Gebetsversammlungen und an anderen Orten so reden hören, als ob es keine große radikale Veränderung gebe, bevor ein Mensch ein Christ wird. Alles, was er tun müsse, sei mit dem Fluchen aufzuhören, sich ein paar Mal zu räuspern, sich gründlich zu reinigen und er sei bereit für den Himmel!

Meine Freunde, wenn nicht jeder Mensch vom Weg abgekommen ist und sich nicht die ganze Menschheit in die Sünde und den Ruin gestürzt hat, dann ist die Bibel der größte Schwindel, der je inszeniert wurde, denn von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende sagt sie, dass dem sei.

Meine Brüder und Schwestern, wenn ein Mensch nun von neuem geboren sein muss, um das Reich Gottes zu sehen, und wenn er gänzlich verdorben bleibt, es sei denn, dass Christus seiner Lebensweise Einhalt gebietet, warum verkünden wir das dann nicht? Ein Mensch, in dessen Herz keine eindeutige und radikale änderung stattfindet, kann sich dem Himmel nicht einmal auf 10.000 Meilen nähern. Seine Seele muss von einem Erdbeben bewegt werden, das seine Sünden abschüttelt, und der Posaunenstoß, der Christus aus den Toten auferweckte, muss ihn aus den Tiefen der Sünde und Finsternis in das herrliche Leben des Evangeliums versetzen.

Weißt du, warum nicht mehr Menschen zu Christus kommen? Die Menschen kommen nicht, weil sie nicht eingeladen werden. Nimm an, du bekommst eine allgemeine Einladung von deinem Freund: “Komm doch mal zum Abendbrot vorbei!” Du gehst nicht. Aber wenn er sagt: “Komm heute um 16 Uhr und bring deine Familie mit, dass wir zusammen essen!”, antwortest du: “Ich werde kommen.” Und du gehst. Die Welt empfindet es als eine allgemeine Einladung, irgendwann einmal vorbeizukommen, um am großen Evangeliumsmahl teilzunehmen. Menschen kommen nicht, weil sie nicht persönlich eingeladen werden, weil man sie nicht ergreift und sagt: “Mein Bruder, komm zu Christus! Komm jetzt, komm jetzt!”

Wie war es möglich, dass in der Zeit von Daniel Baker, Truman Osborne und Nettleton so viele Tausende zu Jesus kamen? Weil jene tüchtigen Männer nichts anderes taten, als sie zum Kommen aufzufordern. Sie verbrachten ihre Lebenszeit damit, Menschen einzuladen, ohne je ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wo hat John Bunyans Pilger seinen Lauf begonnen? Hat er sich von einem angenehmen, stillen, behaglichen Ort aufgemacht? Nein. Du weißt, von wo er aufgebrochen ist: der Stadt des Verderbens, von wo aus jeder Sünder aufbricht.

Weißt du, worüber der schottische Prediger Livingstone in Schottland gepredigt hat, als nach einer Botschaft 300 Seelen zu Christus fanden? Er sprach von dem menschlichen Herzen als von einem unreinen, harten und steinernen. Wusstet du, dass George Whitefield in seiner ersten Botschaft über das Thema “Ihr müsst von neuem geboren werden” gepredigt hat, woraufhin 15 Seelen das Heil Gottes sahen? Weißt du, was der Titel seiner letzten Botschaft war? “Entfliehe dem kommenden Zorn!”

Oh, dass der Herr doch hinter unsere Kanzeln treten und in unsere Gebetsstunden und christlichen Kreise kommen würde, um uns von unserer feinen, rhetorischen und tiefsinnigen Metaphysik und unserer eleganten Haarspalterei zurückzuführen zu dem altmodischen Brunnen der Einladung des Evangeliums!

Heute Morgen befinden sich in diesem Haus genug Sünder, die mit ihrer Bekehrung eine tausend Jahre andauernde Freude im Himmel auslösen würden. Warum kommst du also nicht? Wurdest du noch nie persönlich eingeladen? Wenn nicht, dann tue ich es jetzt. Du, du, du, komm jetzt zu Jesus! Warum versuchst du deinen Krebs mit einem Pflaster abzudecken, während Christus, der Chirurg, mit Seinem Skalpell alles entfernen würde, sodass es nie mehr wiederkommt? Weißt du, dass deine Natur völlig verdorben ist, wenn sie nicht durch die Gnade Gottes verändert wurde? Weißt du nicht, mein lieber Bruder, dass Gott an deiner jetzigen Lage keinen Wohlgefallen findet? Weißt du, dass dein sündiger Zustand Gottes Zorn erregt? “Gott zürnt dem Sünder jeden Tag.” [engl. üs.]. Weißt du nicht, dass du Krieg führst gegen Gott? Weißt du nicht, dass du deinen Speer in des Heilands Seite gestoßen und Sein Herz gebrochen hast?

Oh, deine Sünden! Ich mache dich eindringlich auf sie aufmerksam – die Sünden deiner Lebzeit. Welch ein Strafregister für dein Sterbebett und den Gerichtstag! Welch ein Becher voll Galle für deine Lippen! Was wird aus den Sünden deiner Kindheit und der reiferen Jahre, mit ihren gespaltenen Zungen, Natternstichen und unsterblicher Wehmut, wenn Jesus nicht der Schlange den Kopf zertritt? Du hast gegen deinen Gott gesündigt! Wie kannst du mit deinem unversöhnten Herzen an den guten, reinen Ort gelangen?

T. DeWitt Talmage

logo-sans-tagline.png

Diesen Post teilen

Leave a Comment