Rassismus in der Gemeinde Gottes?

2025-05-04 (6)

DANIEL SIDNEY WARNER war seiner Zeit hinsichtlich der Bürgerrechte wohl mehr als ein Jahrhundert voraus. Er wurde in einer Zeit geboren, die in der Prophetie als „Sturmwind“ bezeichnet wird – das Land war mit sich selbst im Unfrieden, Fraktionen wetteiferten um moralische und geistliche Rechtfertigungen, um ihre eigene Position bezüglich der Sklaverei zu untermauern. Vor unserer Aufklärung über das Konstrukt des „Weißseins“, vor Martin Luther King Jr., dem Ku-Klux-Klan, den Rassenunruhen, Busboykotten und dem Bürgerkrieg wurden Warners Geist und Seele inmitten einer jungen Nation, die voller Hass, Gewalt und Spaltung war, geformt. Er war sowohl Visionär als auch Aktivist.

Obwohl es in den historischen Berichten an Details fehlt, bestätigen bestimmte Lebensereignisse, dass er schon vor seiner Bekehrung für Recht und Gerechtigkeit eintrat. Nachdem sein Bruder eingezogen worden war, meldete sich Warner freiwillig, um an seiner Stelle in der Unionsarmee zu dienen, da er im Gegensatz zu seinem Bruder keine Familie zurücklassen musste. Nach dem Krieg schrieb er sich am Oberlin College in Ohio ein, das nicht nur den Ruf hatte, eines der vehementesten Abolitionisten-Colleges Amerikas zu sein, sondern auch das erste College war, das Frauen zuließ, und eines der ersten beiden, die Afroamerikaner aufnahmen.

Nachdem Warner im Jahr 1865 die Heilserfahrung erlebt hatte, lebte er als eifriger Christ, der dem Prinzip der christlichen Einheit Priorität einräumte, wie der folgende Tagebucheintrag zeigt:

 

„Wir möchten allen verkünden, dass wir mit allen Christen bei der Rettung von Seelen zusammenarbeiten wollen, uns jedoch für immer von allen Organisationen zurückziehen, die Sekten und Konfessionen im Leib Christi aufrechterhalten und befürworten.“

 

Diese Botschaft unterschied Bruder Warner und die Reformation der Gemeinde Gottes von allen anderen Bewegungen der damaligen Zeit. Sie war ein Herold, ein Unterscheidungsmerkmal und ein Kennzeichen, das die Göttlichkeit der Bewegung und ihre überragende Weisheit und Schönheit inmitten eines hässlichen und spaltenden Abschnitts der amerikanischen Geschichte anzeigte.

Mit seinem dreifältigen biblischen Verständnis der Erlösung von der Sünde, der Taufe durch den Heiligen Geist und dem Anti-Konfessionalismus wurde Warner zum Vorreiter der Reformation der Gemeinde. Während andere Bewegungen ihre Glaubensbekenntnisse auf Lehren wie Erlösung aus Glauben (Protestantismus), sündenfreies Leben (Heiligkeitsbewegungen) und Heiligung (Brüdergemeinde, Methodisten und später auch Heiligkeitsbewegungen) basierten, war Warner der erste, der diese Lehren mit dem Gebet Christi verband, dass alle Seine Kinder in vollkommener Liebe vereint seien. Beflügelt von der Vision einer reinen und glühenden Gemeinschaft von Gläubigen, lebte, lehrte und predigte D. S. Warner unermüdlich die gesamte Botschaft des Evangeliums, nämlich dass Christi wunderbares Werk der Heiligung Seines Volkes unausweichlich zu einer vorurteilslosen Liebe zu allen Seinen Kindern führt – im Amerika nach der Bürgerkriegszeit, einem Land, das einerseits äußerst bereit für eine derartige Lehre war, sich jedoch gleichzeitig aggressiv dagegen wehrte.

Als Bruder Warner seinen Predigtdienst aufnahm, war der Bürgerkrieg seit bereits 16 Jahren beendet. Seine Botschaft von Einheit und Gleichheit fand natürlich besonderen Anklang bei den ehemaligen Sklaven, die unter Unterdrückung und Grausamkeit geboren worden waren, und trug daher zum raschen Aufschwung und Wachstum der Bewegung bei. In seinem Buch The Quest for Unity and Holiness schrieb John W. V. Smith:

„Viele kirchliche Gruppen vermieden es, eine klare interrassistische Position einzunehmen. Die Botschaft der Einheit aller Gläubigen, welche von der Gemeinde Gottes verkündigt wurde, wies allerdings eine sehr starke Haltung zum Thema Rassenvielfalt auf, welche zum festen Bestandteil ihrer Botschaft wurde. Es ist jedoch bemerkenswert, dass im ersten Jahrzehnt die Rassenfrage nicht besonders hervorgehoben wurde; die Botschaft wurde verkündigt, die Schwarzen akzeptierten sie und wurden angenommen.“

Doch obwohl die Botschaft, dass sich das volle Heil in der Gleichheit und Einheit der Brüder kundtut, ein logisches Konzept war, das sich in den Herzen der Christen weiterhin frei entfalten sollte, stießen Warners Lehren (vor allem in den Südstaaten, aber auch im Norden) auf den Widerstand zahlreicher religiöser Heuchler, die nicht bereit waren, ihre gesellschaftlich zugestandene und selbst empfundene Überlegenheit aufzugeben. Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung gehörte die Gemeinde Gottes jedoch zu den am schnellsten wachsenden christlichen Bewegungen der Welt. In einem Land, das reif für eine Revolution und einen Aufstand war, drang Bruder Warner mit seinen leidenschaftlichen und zeitgemäßen Predigten über die ewigen Wahrheiten in die Herzen vieler Menschen ein und schaffte es, Tausende zu den jährlichen Lagerversammlungen der Gemeinde zu bringen. John W. V. Smith schrieb: „Sowohl Schwarze als auch Weiße strebten danach, das Ideal der Einheit zu verwirklichen, und ihr Engagement dafür zeigt sich in den vielen Versammlungen, die im gesamten Süden abgehalten wurden und bei denen Schwarze und Weiße nicht nur anwesend waren, sondern sogar gleichberechtigt miteinander Gottesdienst feierten! Diese offene Integration der Rassen in den Gottesdiensten zeigte, wie sehr sich die Teilnehmer dem Konzept der Einheit geöffnet hatten, denn diese vereinten Versammlungen fanden trotz der im gesamten Süden vorherrschenden Bräuche und Gesetze statt, die derartige integrativen Praktiken untersagten.“ In einem weiteren Beispiel zitiert James Earl Massey in seinem Buch African Americans and the Church of God ein Flugblatt, das 1902 für eine Lagerversammlung in Payne, Ohio (eine Versammlung, die 1895 von den Brüdern Warner und A. J. Kilpatrick ins Leben gerufen wurde), warb und in dem es heißt:

„Wir treten der Rassenfrage, die im Süden als Color Line bekannt ist, entschieden entgegen und laden die Menschen jeglicher Rasse ein, zu dieser Versammlung zu kommen. Es werden keine Unterscheidung in Bezug auf Privilegien oder Wohltätigkeit gemacht.“

Derartige Beispiele und andere Aufzeichnungen sind ein Beweis dafür, dass die Gemeinde zu Warners Zeiten entschieden die Kraft der Heiligung predigte, die bewirkt, dass Christen vorurteilslos in Liebe vereint sind. Dennoch stieß Warner auf Widerstand, sowohl von außerhalb als auch innerhalb der Gemeinde. Viele so genannte „Weiße“ innerhalb der Bewegung sprachen sich gegen die Zusammenkunft der so genannten „Rassen“ aus und wünschten sich getrennte Versammlungen und Ausnahmen bezüglich der Verordnung des heiligen Kusses. Warner widersetzte sich dieser Feindseligkeit unter Einsatz seines eigenen Lebens und seiner Position mit aller Macht. Die nationalen Lagerversammlungen und das Hauptquartier der Gemeinde Gottes befanden sich später in Anderson, Indiana (einer Brutstätte des Rassismus und der Ku-Klux-Klan-Aktivitäten zu jener Zeit). Die gegen die Gemeinde gerichteten Gewaltandrohungen waren real. Und solange Warner lebte, waren die Lagerversammlungen integriert, glorreich und vielfältig, mit Berichten über Gottesdienste, bei denen afroamerikanische Gläubige bis zu einem Drittel der Gesamtteilnehmer ausmachten. Mit einem Anwesenheitsanteil, der mehr als doppelt so hoch ist wie der Anteil der Afroamerikaner an der amerikanischen Bevölkerung, und in einem globalen System, das Gleichheit verachtete, nutzte der Teufel die Gelegenheit, um die Bewegung der Gemeinde Gottes zu spalten, die ansonsten eine Erfüllung von Jesaja 2,2-4 hätte sein können.

Im Laufe der Zeit nahmen die Spannungen zwischen den Rassen weiter zu. Solange Bruder Warner lebte, verhinderte seine Predigt, dass sich Rassenfeindlichkeit in der Gemeinde voll entfalten konnten. Als Anführer dieses Widerstands ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Unruhe und Belastung dieser ständigen Reibereien zu Warners Tod im Jahr 1895 beitrugen. Er wurde nur 53 Jahre alt.

Lediglich zwei Jahre nach Warners Tod schrieb der Herausgeber der Gospel Trumpet, E. E. Byrum, einen scheinbar widersprüchlichen Artikel in der Gospel Trumpet, indem er die Gemeinde anweist, sowohl „Gott mehr [zu] gehorchen als den Menschen“ als auch „die Sitten des Landes (der Regierung) zu befolgen, selbst wenn diese sich von denen unserer wahren Heimat (der Gemeinde) unterscheiden“. Ferner führte er aus, dass „Weiße und Farbige“ keine „Mischehen“ eingehen sollten, dass es für Schwarze besser sei, „in separaten Versammlungen zusammenzukommen“ und dass von den „weißen Brüdern“ „nicht verlangt wird“, die „farbigen Brüder“ mit dem heiligen Kuss zu begrüßen.

Während er in seinem Brief doppeldeutig auf die rechtlichen Bedenken einging, die vor allem von den Gemeindemitgliedern der Südstaaten geäußert wurden, verpasste Byrum nicht nur die Gelegenheit, sich entschieden gegen die Rassenungleichheit auszusprechen, sondern er gab der Bewegung auch die  „Erlaubnis“, dem Druck der Regierung nachzugeben und das falsche Verständnis von der Vorherrschaft der „weißen Rasse“ beizubehalten. Die langfristigen Auswirkungen waren noch weitaus verheerender.

Nicholas Stanton-Roark, Archivar der Anderson University, erklärte: „Zahlreiche Quellen weisen darauf hin, dass der Ku-Klux-Klan Druck auf die Führung in Anderson ausübte“, da viele Schwarze zur Lagerversammlung nach Anderson kamen. Die Hand dieser rassistischen Organisation war in der Politik und Gesellschaft Indianas deutlich zu erkennen.

Ein entscheidender Vorfall, der sich während der Lagerversammlung 1912 ereignete, gipfelte schließlich in der dauerhaften Trennung der Heiligen in „weiße“ und „schwarze“ Gemeinden. Smith berichtet davon:

 

„Mehrere weiße Anführer meinten gegenüber den Schwarzen, dass es für sie vielleicht wünschenswerter wäre, wenn sie sich einen anderen Ort für ihre Anbetung suchen würden. Man hatte das Gefühl, dass ihre zahlreiche Anwesenheit viele Weiße daran hinderte, zu den Versammlungen zu kommen und gerettet zu werden. Diese Konfrontation schuf das Klima für die Gründung einer eigenen Organisation für Schwarze in der Gemeinde Gottes.“

 

Ob es nun wirklich um die Seelen der rassistischen Weißen ging oder, wie Massey spekuliert, um „die Sorge, die lokale Anerkennung in der Gemeinde aufrechtzuerhalten und ihre finanzielle Grundlage zu sichern“, die Bereitschaft der Gemeindeleitung, den gemeinsamen Gottesdienst einzubüßen, war ein klarer Akt der Abkehr von ihrem bisherigen geistlichen Verständnis zugunsten der Anbetung des Gottes der weißen Vorherrschaft.

Wenn es jemals einen bedeutsamen und trügerischen Kompromiss gegeben hat, der das Schweigen, den Abfall und die Spaltung eines so mächtigen und gesalbten Werkes Gottes wie die Reformation der Gemeinde Gottes in der Zeit der sechsten Posaune bewirkt hat, dann war es der Rassismus, der in der Furcht vor und dem Hass gegenüber unserem Bruder verankert ist.

 

Zwar haben wir den geistlichen Kompromiss und die Spaltung in der Gemeine Gottes, welche zwischen 1910 und 1913 stattfand, bedauert, indem wir jedoch anerkennen, dass die übriggebliebene Predigerschaft der Gemeinde Lehren und Maßstäbe in ihrem Bemühren, die „gehobenere Schicht“ zu gewinnen, aufgab, gelangen wir nun zu einem umfassenderen Verständnis der tiefgründigen Ursache eines solchen Fehlverhaltens.

Das Gebot, einander zu lieben, gleichwie Christus uns geliebt hat, zu missachten (Joh 13,34; Joh 15,12), sich zu weigern, zur vollendeten Einheit zu gelangen (Joh 17,23), und unsere eigene Versammlung nicht zu verlassen (Hebr 10,25), sind Dinge, die nach den Worten Christi die Welt daran hindern würden, dem Evangelium zu glauben.

Während wir darauf warten, dass Christi Gebet in Johannes 17 beantwortet und die Prophezeiung, dass alle Nationen zur Gemeinde strömen würden, in unserer Zeit Gestalt annehmen wird, sollten wir uns bewusst machen, dass wir ohne eine Versöhnung für die Sünden der Vergangenheit keine Erfüllung des Willens Gottes für Sein Volk erleben werden.

 

Schw. Sarah Benion

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