„Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter, seine Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein.“ (Lk 14:26).
Hingabe. Dieses Wort weckt Gedanken an Weihe, Aufopferung und Entschlossenheit. Doch wie bei vielen geistlichen Grundsätzen ist die wahre, tiefe Bedeutung in der Geschäftigkeit und Verwirrung dieser zunehmend gottlosen Welt verloren gegangen. Was bedeutet es, sich dem Evangelium „völlig verschrieben“ zu haben? Ist dies lediglich eine intellektuelle Übung, bei der wir versuchen, Hypothesen darüber aufzustellen, was der Herr von uns verlangen könnte? Oder gibt es praktische, physische Anwendungen dieser oftmals beteuerten, jedoch weitaus seltener anzutreffenden Eigenschaft?
Wenn man die Geschichte des heiligen Volkes Gottes studiert, von der Schöpfung bis heute, taucht ein Thema immer wieder in Erscheinung. Wahre Heilige waren sich allzeit bewusst, dass ihnen nichts gehörte. In der Tat ist sogar die zum Leben notwendige Luft ein direktes Geschenk Gottes. Daher ist es nur vernünftig, dass alles zur Förderung des Werkes des Herrn verwendet wird. Dies wird durch historische Persönlichkeiten wie den Kindern Israels, die Mose von ihren Besitztümern brachten, damit die Stiftshütte gebaut werden konnte (1Mo 36), Hanna, die Samuel an Eli übergab (1Sam 1), der Witwe, die ihre letzte Mahlzeit Elia überreichte (1Kö 17), oder den ersten Christen, die ihren Besitz den Aposteln zu Füßen legten (Apg 4), deutlich. Dieses Konzept würde bei den meisten bekennenden Christen unserer Zeit auf wenig Widerstand stoßen. Die Diskrepanz entstünde jedoch in der Anwendungspraxis, nämlich in der praktischen Handhabung des Gebens.
Alle Beispiele, die im vorangegangenen Abschnitt angeführt wurden, und viele weitere Beispiele in der Heiligen Schrift weisen eine auffällige Gemeinsamkeit auf: Jedes Mal, wenn Gott in außerordentlicher Weise wirkte, brachte das Volk die erforderlichen Mittel auf und sie wurden jemandem übergeben. Sie wurden nicht einfach in Reserve gehalten, „für den Fall, dass Gott sie braucht“, und sie wurden auch nicht so verwendet, wie der Geber es für richtig hielt. Die Gaben wurden den von Gott auserwählten Menschen zu Füßen gelegt.
Mose entschied, wie die Spenden der Israeliten am besten verwendet werden sollten. Stell dir vor, die Israeliten hätten versucht, ihre Gaben für einen bestimmten Zweck zu verwenden. „Nun, Mose, ich möchte, dass diese Ohrringe eingeschmolzen werden und als Überzug für die Bundeslade dienen. Und da ich so viel gespendet habe, könntest du vielleicht dafür sorgen, dass jeder weiß, dass ich für den Sühnedeckel, auf dem Gott thront, aufgekommen bin?“ Wir finden diesen Gedanken lächerlich, und doch verhalten sich Kirchgänger unserer Zeit entsprechend. Anstatt den Zehnten und die Opfergaben als freie Gaben zu geben, die nach Gottes Weisung verwendet werden, werden sie als Druckmittel eingesetzt, um das Werk Gottes so zu lenken, wie der Geber es für richtig hält.
Die Frage, wo wir geben sollen, ist nicht die einzige, mit der wir zu kämpfen haben. Was sollen wir geben, und wie viel? Erstens müssen wir bedenken, dass es nicht auf die Größe der Gabe ankommt. Unserem himmlischen Vater gehört bereits das Vieh auf tausend Bergen. Er ist auf deine Unterstützung nicht angewiesen. Er ist allmächtig! Das Geben unserer Mittel ist nicht einmal eine Art Rückzahlung, denn das Geschenk, das wir Gott machen, gehörte Ihm bereits. Es ist, wie wenn ein kleines Kind seinen Vater um Geld bittet, um ihm ein Geschenk davon zu kaufen. Der Vater erhält das Geschenk, das ihm bereits gehört, und freut sich, nicht weil er durch das Geschenk reicher geworden ist, sondern weil er weiß, dass das Kind ein Opfer für ihn gebracht hat.
Wir sollten geben, bis es weh tut. Aus dem Überfluss zu geben und gleichzeitig viel in Reserve zu halten, ist kein Opfer. Wir werden an die Pharisäer erinnert, die im Tempel große Summen spendeten, während die arme Witwe ihre letzten zwei Scherflein gab. Die Opfergabe der Witwe machte keinen spürbaren Unterschied im Werk des Herrn. Es war wahrscheinlich nicht einmal genug, um eine Lampe mit Öl zu füllen. Und denoch lobte Jesus ihre Gabe und sagte Seinen Jüngern, dass sie mehr eingelegt hatte als alle anderen. Sie gab, bis es weh tat. Sie war bereit, zu verhungern, solange sie ihren Teil für Gott tat. Mögen unsere Gesichter vor Scham erröten, während wir unser Budget sorgfältig prüfen und sicherstellen, dass unsere Bedürfnisse und Wünsche gedeckt sind, und dann den kleinen Rest in den Opferkasten geben, vorausgesetzt, dass überhaupt noch etwas übrig ist.
Denke an den reichen Jüngling, der zu Jesus kam und ihn fragte, wie er das ewige Leben erlangen könne! Jesus begann mit einer Liste von Dingen, von denen Er wusste, dass der junge Mann sie bereits erfüllte. „,Du sollst nicht ehebrechen! Du sollst nicht töten! Du sollst nicht stehlen! Du sollst nicht falsches Zeugnis reden! Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!‘ Er aber sprach: Das alles habe ich gehalten von meiner Jugend an. Als Jesus dies hörte, sprach er zu ihm: Eins fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du hast, und verteile es an die Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach! Als er aber dies hörte, wurde er ganz traurig; denn er war sehr reich.“ (Lk 18:20b-23)
Genau wie dieser Mann beginnen wir oft damit, das zu geben, was uns leichter fällt. Wir rechtfertigen unser mangelndes Geben in einem Bereich, indem wir versuchen, es in einem anderen zu kompensieren. Zweifellos hielt sich dieser Oberste für einen guten Menschen. Er hatte möglicherweise Gelegenheit gehabt, Ehebruch zu begehen, zu stehlen, zu töten und seine Eltern zu entehren. Und er hatte diese Dinge für Gott „geopfert“. Aber der Herr drängte weiter, bis er auf die eine Sache stieß, die dieser Mann liebte, und der Jüngling befindet sich heute in ewiger Qual, weil er nicht bereit war, Gott zu geben, was Ihm bereits rechtmäßig gehörte.
O Leser, frage dich, was in deinem Fall „das Eine“ ist! Denke nicht an all die Dinge, die du bereits gibst, sondern überlege stattdessen, was du noch zurückhältst! Vielleicht verlangt Gott von dir, zu predigen oder zu singen, oder Er fordert dich auf, eine unbemerkte und scheinbar unbedeutende Position in der Gemeinde einzunehmen. Vielleicht musst du auch alles, was du hast, verkaufen und den Armen geben. Sende es jedoch nicht an einen Ort deiner Wahl! Lege es stattdessen den Männern Gottes zu Füßen und erlaube ihnen, es so zu verteilen, wie sie es für richtig halten! Vielleicht musst du deine Zeit opfern, indem du früher aufstehst oder länger aufbleibst und deinen geliebten Schlaf opferst, um jemandem in Not zu helfen. Was auch immer „das Eine“ sein mag, gib es auf und gehorche der Stimme unseres geliebten Heilands, der ruft: „Komm, folge mir nach!“
„Die Welt muss noch sehen, was Gott mit einem Mann ausrichten kann, der Ihm völlig geweiht ist. Mit Gottes Hilfe möchte ich dieser Mann sein.“
— D. L. Moody
Br. Christian Savage, jr.