Jakob hatte sich in Probleme gebracht. Er hatte gemeint, sein Bruder stehe im Begriff, einen Segen in Anspruch zu nehmen, der rechtmäßig ihm zustand. Und so hatte er sich seinem Bruder in den Weg gestellt. Er hatte Esau belogen und hintergangen, aber er hatte es nicht als Hintergehen betrachtet, weil ihm der Segen sowieso zustand. Wie dem auch sei, er hatte Esau verärgert und jetzt hatte Esau es auf ihn abgesehen. Er trachtete nach Jakobs Leben, und aus der Heimat zu fliehen war Jakobs einzige Option. Mutter und Vater verlassend, von dem Komfort der Heimat verbannt, wurde Jakob zu einem Flüchtenden, zu einem Landstreicher. Einsam, mit gebrochenem Herzen und den Gefahren der Wildnis ausgesetzt, war er gezwungen, sich auf dem kalten, harten Boden einen Platz zum Schlafen zu suchen. Nachdem er einen Stein als Kissen fand, fiel er in einen unruhigen Schlaf. Hier, inmitten des Tumults seiner gequälten, stürmischen Gedanken, bemächtigte sich seiner ein Traum.
Jakob träumte und sah eine Leiter, die von der Erde zum Himmel führte. Es schien, als begänne die Leiter gerade dort, wo Jakob lag; jedoch erstreckte sie sich weithin, weithin, hoch hinaus über die Sphäre seiner Furcht und seines Versagens und seiner Enttäuschungen, bis hin zum Thron Gottes. An der Spitze der Leiter war Jehovah, der versprach, mit Jakob zu sein, ihn zu bewahren und zu segnen und ihm auf allen seinen Wanderungen das Gelingen zu schenken. Und dazwischen befanden sich Engel, Botschafter der Gnade, welche auf der Leiter zum Thron aufstiegen und wieder zu Jakob herabkamen.
Es war ein Traum, und doch war es keiner. Als Jakob aufstand, war er so überzeugt von der Wahrheit dieser seltsamen Vision, dass es schien, als durchströme ihn eine beflügelnde Macht. Er war nicht länger alleine! Er war nicht mehr ein zielloser Wanderer in einem fremden Land, dessen Volk ihn nur flüchtig kannte und wenig beachtete. Seine Augen waren geöffnet worden, um den unsichtbaren Führer seines Weges zu sehen. Er wurde geliebt. Er wurde bewacht. Er wurde von einer Schar von Engeln begleitet. Sie konnten zum Himmel hinaufsteigen und die Tür für Jakob öffnen. Sie konnten zurück zu Jakob kommen und ihm himmlische Barmherzigkeit bringen, als er sie am dringendsten brauchte. Jakob hatte eine Pforte gefunden: aus seiner Entmutigung und Schande heraus, in himmlische Regionen hinauf. „Und er fürchtete sich“, sagt die Schrift, „und sprach: … Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und dies ist die Pforte des Himmels!“ (1Mo 28:17). Überwältigt von der mächtigen Gegenwart der Liebe Gottes stellte Jakob einen Gedenkstein auf und gelobte, während er Öl darauf goss, Gott als seinen Gott anzunehmen und dem Herrn den Zehnten von allem, mit dem der Herr ihn segnen würde, zurückzugeben.
Manche mögen Jakob als Träumer bezeichnen, aber es gibt unter uns niemanden, der nicht eine Leiter zum Himmel nötig hätte. Befallen von Mächten – wie es so häufig der Fall ist – Mächten, die wir oftmals nicht verstehen, und zur Zielscheibe gemacht von Feinden, die wir nicht sehen können, wären unser Leib, Geist und Seele verkommen, wenn es für uns nicht irgendeinen Ausweg gäbe – einen Eingang zum Himmel, eine Pforte, durch welche die Barmherzigkeit herabkommen kann. Wir brauchen Engel – Engel aus unserem Gebilde – die den Weg die Leiter hinauf kennen, um uns vor dem Thron Gottes zu repräsentieren und die wissen, wie mit der Befreiung in ihren Händen wieder zu uns herabzusteigen.
Indem Er mit Nathanael über die Dinge sprach, die er während des Evangeliumstages sehen würde, gab Jesus Nathanael eine wundervolle Verheißung: „Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Künftig werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen.“ (Joh 1:51).
Etwas, das uns unübersehbar an dieser Verheißung auffallen muss, ist, dass diese Engel – wie auch die Engel, die Jakob in seinem Traum sah – nicht mit dem Abstieg vom Himmel begannen, sondern mit dem Aufstieg von der Erde. Sie mussten von der Erde aufsteigen, weil sie auf der Erde wohnten, unter den Menschen der Erde. Dass menschliche Wesen das Amt eines Engels (himmlischen Botschafters) erfüllen können, ist auch aus zwei Schriftstellen des neuen Testamentes (Offb 1:20; Gal 4:14) offensichtlich erkennbar, wo das Wort verwendet wird, um Gottes Predigerschaft in ihrer Fähigkeit, uns die Botschaften vom Himmel zu übermitteln, zu beschreiben.
Als wir beschmutzte und arme Sünder waren, brauchten wir einen Mittler, um die Kluft zwischen der Erde und dem Himmel zu überbrücken. Jesus selbst kam mit einer freien und unvorstellbaren Liebe vom Himmel herab und durch den Verdienst Seines eigenen Blutes überbrückte Er die Kluft, welche die Menschheit von Gott trennte. Er wurde zu einer Leiter und durch die Kraft Seines Verdienstes steigen Engel aus menschlichem Gebilde auf und nieder, die sich Ihm in Seiner Mission der Barmherzigkeit anschließen. Sie sind die Verkörperung aus Fleisch und Blut von der Gnade, zu der diese Leiter den Zugang gewährt. Sie bringen Botschaften von dem Thron – Botschaften der Gnade, des Trostes, der Zurechtweisung. Sie flehen für die Menschheit, indem sie unseren Fall vor Gott bringen; und sie plädieren für Gott, indem sie uns Seine Güte vorstellen. Sie sind eine wahre Predigerschaft, die mit Gott verbunden und mit göttlicher Autorität ausgerüstet ist. Sie formen eine Verbindung von der Erde zum Himmel und wenn wir sie berühren können, helfen sie uns, Gott zu berühren.