Ein Aufruf zur Leidenschaft

Dem puritanischen Prediger Richard Baxter wurde vorgeworfen, die Sünden des sogenannten englischen Klerus zu offen angegriffen zu haben. Daraufhin erwiderte er: „Wenn die Prediger Amerikas auf Latein gesündigt hätten, hätte ich vielleicht auf Latein geschrieben, da sie aber auf Englisch gesündigt haben, habe ich auf Englisch geschrieben.“ Unmissverständliche Rede war zu seiner Zeit unerlässlich und ist mit Sicherheit auch in unserer Zeit notwendig. Ohne dieselbe würde das nominelle Christentum wahrscheinlich niemals aus ihrem lässigen Traum einer „abgeschwächten Religion“ erwachen. Laut C.S. Lewis‘ Worten ist „eine abgeschwächte Religion so gut wie gar keine Religion“. Sie ist sinnverwandt mit dem jämmerlichen Zustand geistlicher Lauheit, welche in den Augen der Menschen ehrerbietig, dem Herzen Gottes jedoch äußerst widerlich erscheint. Es ist vielmehr so, wie Watson einst schrieb: „Während Hunderte von offensichtlicher Sünde geschlagen werden, schlägt sympathische, ansehnliche Lauheit ihre Zehntausende.“ Der Teufel hat sich, indem er all die Nachlässigen erntet, eine riesige Ernte von Seelen im Namen des Christentums angehäuft! Welch eine Schande, dass die Hölle mit Seelen angefüllt wird, für die Christus Sein Blut leidenschaftlich vergossen hat! Was ist das Heilmittel? Was erwartet Christi Leidenschaft? Nichts weniger als ein leidenschaftliches Christentum!

Wir müssen auf unsere Knie fallen und um Leidenschaft flehen, flehen, flehen! Dies ist ein beständiger Kampf, weil die Tendenz, abzukühlen, konstant ist. Sind wir nicht manchmal zu kalt? Fehlt es uns nicht an Seelenausdruck, an Regung, an Inbrunst? Brauchen wir nicht ein größeres pochendes Herz der Liebe und Zuneigung zu Gott? Leiden wir nicht an geistlichem Herzflimmern und geistlicher Anämie? Erzittern wir nicht zu selten vor Gottes Wort? Gibt es kein kostbares leichtes Lechzen nach Gott? Bitten wir nicht zu selten um eine größere Fülle Seines Geistes? Gott bewahre uns vor einem leidenschaftslosen „Christentum“! Nicht entflammbare „Christen“ sind überhaupt keine Christen. Sie mögen als „gute“ moralische Menschen betrachtet werden, wenn man jedoch der Sache auf den Grund geht, sind sie (wie jemand es geschickt ausdrückte) „dermaßen auf der Hut, nicht mit dem Geist erfüllt zu werden, wie sie sich davor hüten, vom Wein trunken zu werden.“ Beiderlei scheint für sie ein Zustand des Übermaßes zu sein. Es gibt kein Feuer, keine Hitze, keine brennende göttliche Liebe, die jegliches Sehnen ihrer Seele stillt. Und wenn Christus mit einem leidenschaftlichen Ruf in Seiner Herrlichkeit herabkommt, werden sie sich nicht erheben, um Ihm in der Luft zu begegnen. Ihre apathischen Herzen sind zu stark mit dieser Erde verbunden. Ihr träger Herzschlag stimmt nicht mit Seinem begeisterten Herzschlag überein. Er wird sie nicht kennen. Wenn wir wollen, dass Er uns an jenem großen Tag kennt, dann nur, wie Br. Layne predigte, aufgrund unserer inbrünstigen Leidenschaft.

Etwas ist faul, wenn die Welt die Christen hinsichtlich der Leidenschaft in den Schatten stellt. Es stimmt etwas nicht, wenn der weltliche Straßenmusiker sich dem Anlass stellt und sein Eifer mehr in die Tat umsetzt als wir es bei unseren Straßenversammlungen tun. Etwas ist faul, wenn ein Verkäufer seine zeitlichen Güter mit größerer Leidenschaft anbietet als wir, wenn wir Gottes ewige Erlösung anbieten. Es stimmt etwas nicht, wenn der Sportler einem Ball leidenschaftlicher nacheilt als wir Christus, wenn seine Füße über das Fußballfeld fliegen, aber unsere in unserem Wandel mit Gott über den Boden schleifen. Es stimmt etwas nicht, wenn der Student in seinem akademischen Streben mehr Engagement zeigt als wir in unseren geistlichen Tätigkeiten. Seien wir ehrlich: irdisches Bestreben sollte das himmlische nicht übertreffen.

Satan wird versuchen, uns einzureden, dass unsere Erlösung eine verborgene Herzensangelegenheit sei, doch der Psalmist sagt: „Unser Gott kommt und schweigt nicht; verzehrendes Feuer geht vor ihm her, und rings um ihn stürmt es gewaltig.“ (Ps 50:3). Wenn der feurige Jesus wahrhaftig in unser Herz eingekehrt ist, wird es nicht verborgen bleiben und es wird auch nicht fraglich sein, ob Er eingekehrt sei oder nicht. Seine heilige Gegenwart in unserer Seele wird sich auf unsere Gedanken, unsere Worte, unsere Handlungen und sogar auf unsere Kleidung auswirken. Nur ein flüchtiger Blick wird erforderlich sein, um zu erkennen, dass Gott mitsamt Seinem Feuer und Sturm eingekehrt ist. Was nützt es, zu singen: „Jesus lebt in mir“, wenn wir nicht zulassen, dass Jesus Sein Leben durch uns ausführt? Wie lange können wir Seine äußerst leidenschaftlichen Empfindungen missachten oder unterdrücken, ohne das Leben Jesu in uns zu erlöschen? Unsere gleichgültige Haltung, unser ungenauer Gehorsam, unsere leichtfertige Sprache, unsere dürftigen Gebete, unsere Besorgnis um Dinge, die das Fleisch betreffen – Leidenschaft würde all diesem ein Ende machen. Sie würde jegliches Gesindel fernhalten und unsere Versuchungen halbieren. Jeder würde bereits von weitem erkennen, wer wir sind. Wir sind schuld, wenn dem nicht so ist. Wir können uns nicht hinter Charakterzügen verstecken. Der eine mag heiße Tränen weinen, der andere das Lob Gottes ausrufen; der eine mag vor Freude springen, der andere sich in tiefer Anbetung vor dem verneigen, der auf dem Thron sitzt. Es ist dieselbe Leidenschaft, die sich auf unterschiedliche Weise zeigt.

Kirchlichkeit, Äußerlichkeit, geistliche Stumpfheit, Faulheit, Nachlässigkeit, Gleichgültigkeit – all diese sind Feuerlöscher der Leidenschaft. Unser Appell war unmissverständlich und geradlinig. Nun muss eine Resonanz folgen: „Komm, du verzehrendes Feuer des Heiligen Geistes! Verzehre jeden dämpfenden Geist! Wehe mit Deinem Geist auf uns und entzünde uns aufs Neue, damit die Welt durch unsere Leidenschaft erkenne, dass Du gekommen bist! Amen.“

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