” … Es ist mir alles genau berichtet worden, was du … getan hast … , dass du deinen Vater und deine Mutter und das Land deiner Verwandtschaft verlassen hast und zu einem Volk gegangen bist, das du früher nicht kanntest. Der Herr vergelte dir dein Tun, und dein Lohn möge ein voller sein von dem Herrn, dem Gott Israels, zu dem du gekommen bist, um unter seinen Flügeln Zuflucht zu suchen!” (Rt 2:11-12).
Rut war von Natur “ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels”, aber durch den Ehebund mit einem Israeliten gelangte sie zu diesem Volk. Nach dem Tod ihres Mannes hielt sie sich auch weiter an ihre Schwiegermutter und an deren Gott, den Gott Israels. Sie schätzte ihre bevorrechtigte Stellung so sehr, dass sie dafür ihr Heimatland mit all seinen Freuden verließ; sie verließ ihre Eltern, Verwandten und Freunde und all die Verlockungen, die Orpa dazu veranlassten, nach Moab zurückzukehren. Sie zog es vor, lieber die Gefährtin ihrer Schwiegermutter zu sein – so arm und tief betrübt diese auch war – als sich für eine Zeit lang an dem zu erfreuen, was Moab ihr hätte bieten können.
Dieses Opfer war so real, dass Noomi, so sehr sie ihre Schwiegertochter auch liebte, und so tief betrübt sie ohne sie auch sein würde, empfand, dass sie darauf nicht zu ihrem eigenen Vorteil bestehen konnte. Doch als Rut dann sagte: “Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott”, brachte sie keine weiteren Einwendungen vor, noch legte sie ihr weitere Hindernisse in den Weg. Wenn schon die Gesellschaft einer armen Magd des Herrn so kostbar ist, was sollen wir dann zu Ihm sagen, der uns mahnt: “Geht! … Und siehe, ich bin bei euch … “? Sagt Er nicht: “Der gute Hirte muss die umherstreifenden Schafe suchen, bis Er sie findet. Geht auch ihr und sucht sie, und während ihr dies tut, ist euch meine Gesellschaft garantiert”? Sollen wir diese Gemeinschaft mit Ihm ablehnen, und Ihn, insofern es uns betrifft, alleine nach ihnen suchen lassen?
Als nächstes finden wir, wie Rut sich in der glühenden Sonne als ährenleserin abmüht. Dabei begegnet ihr zum ersten Mal der Herr der Ernte. Die Schönheit der Schilderung darüber, wie Boas seine Schnitter grüßt: “Der Herr sei mit euch”, und ihrer Antwort: “Der Herr segne dich”, sollte jeden Leser aufs Höchste erfreuen. Und auch die arme Rut – obwohl sie keine Schnitterin ist, sondern nur eine ährenleserin – wird herzlich willkommen geheißen und dazu ermutigt, auf Boas’ Feldern zu bleiben, bis die Ernte abgeschlossen ist. Mit rührender Schlichtheit und Demut antwortet die dankbare ährenleserin: “Warum habe ich Gunst gefunden in deinen Augen, dass du mich beachtest, wo ich doch eine Fremde bin?” Darauf antwortet ihr der Herr der Ernte mit den Worten, die wir am Anfang angeführt haben: “Es ist mir alles genau berichtet worden, was du … getan hast.”
Wir wollen uns nun von Boas zum wahren Herrn der Ernte wenden. Begegnet Er uns dort, wo wir uns in der Hitze der Sommerglut abmühen? Erfreut der Gedanke an all das, was wir getan haben, Sein Herz? Und erfreut es uns zu wissen, dass Er alles weiß? Unser auferstandener und ruhmreicher Herr, der uns so wunderbar in Offb 1 beschrieben wird, wandelt immer noch inmitten der goldenen Leuchter. Kann Er uns ohne den Schatten eines Tadels sagen: “Ich kenne deine Werke”? Oder fühlen wir die Schamröte aufsteigen, wenn sich die “Augen wie eine Feuerflamme” auf uns richten? “Und nun, Kinder, bleibt in ihm, damit wir, wenn er geoffenbart werden wird, Freimütigkeit haben und nicht vor ihm beschämt werden bei seiner Ankunft.”
Lasst uns alle das Vaterland dieser Welt verlassen, und wenigstens Fremde und Pilger darin werden. Lasst uns alle auf die eine oder andere Weise in dem großen Erntefeld wirken. Und wenn wir rechtmäßig dazu berufen worden sind, dann lasst uns nicht träge darin sein, sondern dem Gebot, zu “gehen, [um] alle Nationen zu lehren”, gehorchen. Wo die Not am größten ist, da lasst uns gerne dem Gebot des Meisters Folge leisten. Denn in dem Erntefeld, mitten unter den Schnittern, werden wir Ihn finden.
Wir wollen diese Betrachtung nicht länger ausdehnen. Der Mann, der die einsame ährensammlerin während der Ernte getröstet und gesegnet hat, wurde ihr Ehemann, nachdem die mühevollen Erntearbeiten abgeschlossen waren. Auf diese Weise belohnte der Herr ihre Arbeit.
Israel wurde nicht ohne sie gesegnet, denn David, der Befreier, und Salomo, die Herrlichkeit Israels, wurden aus dem Samen geboren, den Boas durch sie erlangte. Rut ahnte nicht im Geringsten, welche Ehre und welches Glück sie erwarteten, als sie alles für Gott und Sein Volk hinter sich ließ. Wir kennen die Absichten der Gnade Gottes und die Herrlichkeiten, die uns bevorstehen. Was für Menschen sollten wir dann sein, und wie ernst und treu in der kurzen Zeit, die noch vor uns liegt, bevor wir zu unserer Belohnung gerufen werden und Ihm in der Luft entgegengehen? Wenn Er sagt: “Geht!”, sollten wir dann mit einem “Nein” antworten? Wenn Er uns bittet, in Seiner Ernte weiterzuarbeiten, bis sie abgeschlossen ist, sollten wir Ihm ein “Nein” erwidern?
Hudson Taylor