Unser letzter Feind

2023-04-10 (1)

In der heutigen Welt ist es leicht, gefühllos zu sein, wenn es um den Tod geht. Wir wissen oft nicht, was sich seit unserem letzten Blick auf die Nachrichten ereignet hat, doch wenn wir unseren Newsfeed öffnen, ist eines sicher: Wieder ist jemand gestorben. Die täglichen Nachrichten sind erfüllt mit Berichten über sterbende Menschen. Die Todesursachen sind ebenso vielseitig wie ihr Alter und ihre Lebensumstände. Eine Vielzahl von Krankheiten, hohes Alter, Selbstmord, Unfälle und viele Formen von Gewalt fordern jährlich das Leben von etwa 60 Millionen Menschen.

Unsere Gesellschaft fördert eine lässige Haltung gegenüber dem Tod. Indem die Abscheulichkeit der Abtreibung und ärztlich unterstützer Tötung hinter Euphemismen wie „Frauenrechte“ und „sanfter Tod“ getarnt wird, wird die Menschheit in Bezug auf die Heiligkeit des Lebens und die Ernsthaftigkeit des Todes desensibilisiert. Der Tod dient in Filmen, Videospielen und in der Musik als Unterhaltungsform; die Darstellungen reichen von sehr gewalttätig bis hin zu grotesk und urkomisch. All dies trägt dazu bei, den Tod in den Köpfen der Menschen zu verharmlosen.

In der Vergangenheit war der Tod eines Familienmitglieds, eines Freundes oder eines Bekannten eine trübsinnige Erinnerung an die Feierlichkeit des Todes. Ein Todesfall bedeutete, einer Beerdigung beizuwohnen, den leblosen Leichnam im Sarg zu sehen und das Schluchzen der trauernden Familie zu hören. Die Ernsthaftigkeit des Todes ist unter diesen Umständen schwer zu übersehen. Heute jedoch werden die schwermütigen, nachdenklich stimmenden Beerdigungen mehr und mehr durch heitere Lebensfeiern ersetzt. Offene Särge, die Predigten und die ganz in schwarz gehaltene Kleiderordnung gehören der Vergangenheit an. Feierstimmung, aufmunternde Musik und Humor sind jetzt der Status quo. Während unsere Gesellschaft absolut kein Problem damit hat, täglich Gewalt, Tod und Gemetzel auf dem Großbildfernseher zu sehen, löst der Gedanke an den tatsächlichen Tod Unbehagen aus.

Wird der Tod nicht mehr als herzzerreißendes, schmerzvolles und endgültiges Ereignis angesehen, kann das gefährliche Auswirkungen haben. Zu viele kommen zu dem Schluss, dass Selbstmord die beste Lösung für ihre Probleme ist. Manche Ehemänner würden ihre Frauen lieber umbringen, als einer der unzähligen Alternativen zuzustimmen. Söhne bringen ihre Mütter wegen geringfügigen Auseinandersetzungen um und Mütter entledigen sich ihres „lästigen“ Nachwuchses. In anderen Fällen reicht ein kleiner Verkehrsverstoß aus, damit jemandes Agression im Straßenverkehr tödlich endet. Unsere Gesellschaft ist offensichtlich dahin gekommen, den Tod als einfache und schnelle Lösung für fast jedes erdenkliche Dilemma zu betrachten.

Nichts kann jedoch die schreckliche Realität des Todes schmälern. Kein Versuch, ihn in ein heiteres Gewand zu kleiden, kann seine Ernsthaftigkeit verändern oder den Schmerz, den er verursacht, lindern. Wer einmal das Wehgeschrei eines Kindes gehört hat, das seine Mutter verloren hat, oder den untröstlichen Kummer trauernder Eltern miterlebt hat, an dem geht der Tod nicht spurlos vorrüber. Diese Person weiß, dass hinter jedem eintönigen Nachrichtenartikel über einen weiteren Todesfall, eine weitere Gewalttat, einen weiteren Selbstmord, ein kalter, lebloser Körper und eine Welt voller Trauer und Schmerz in den Herzen derer zurückbleibt, die sie überleben.

Jesus selbst nahm diesen Schmerz wahr. Als Er zur Grabstätte von Lazarus ging, wird Sein Schmerz mit den Worten „Jesus weinte“ festgehalten. Und doch ist in diesen einfachen Worten viel enthalten. Es war nicht nur Sein persönlicher Kummer, der Ihn an diesem Tag zu Tränen rührte. Auch waren Lazarus und seine Schwestern nicht der einzige Grund. Der Schmerz, der ein Seufzen hervorrief und heiße Tränen über Seine Wangen strömen ließ, rührte daher, dass Er den schrecklichen Todesschatten sah und fühlte, der über Seine gesamte Schöpfung geworfen worden war.

Er wollte nie, dass Seine Schöpfung den Tod erfährt. Doch die Sünde fand Einlass und brachte den schrecklichen Fluch des Todes mit sich. Seine wunderschöne, herrliche Welt wurde für immer verändert. Nun war Seine gesamte Schöpfung in der grausamen, unentrinnbaren Umklammerung des Todes gefangen. Und Jesus weinte. Und die Tränen, die Er vergoss, der Schmerz in Seinem Herzen und das Seufzen, das Seinen Lippen entwich, vermischten sich mit dem Schmerz und dem Seufzen seiner gesamten Schöpfung (Röm 8:22-23).

Dieses Seufzen ist der Schrei der Schöpfung, aus dem Griff des Todes, unseres Feindes, befreit zu werden. Viele haben aufgehört, den Tod in diesem Licht zu sehen. Wenn die ärztlich unterstützte Sterbehilfe als „sanfter Tod“ bezeichnet und als Mittel zu einem würdevollen Tod angepriesen wird, wird der Tod als willkommener, wohlwollender Retter dargestellt. In anderen Fällen wird der Tod als eine geeignete Lösung angesehen. Doch keine noch so große Schönfärberei, Verharmlosung oder Legalisierung des Todes kann jemals etwas an der schrecklichen Realität ändern, dass der Tod unser abscheulicher Feind ist.

Solange wir den Tod in seiner ganzen grausamen und herzzerreißenden Realität nicht erkennen, werden wir das Wunder und die Schönheit dessen verpassen, was Christus getan hat, als Er die Herrlichkeit des Himmels verließ und Fleisch und Blut wurde, „damit er durch den Tod den außer Wirksamkeit setzte, der die Macht des Todes hatte, nämlich den Teufel“ (Hebr 2:14).

Heute sehen wir den Tod überall um uns herum. Der Tod pirscht sich an die ganze Welt heran, seine eisigen Finger erhaschen, packen zu, oft ohne Vorwarnung. Wenn der Tod nach uns oder selbst nach einem geliebten Menschen greift, sind wir nicht in der Lage, uns aus seinem Griff zu befreien. Er hinterlässt eine Spur von Leid und tiefer Trauer.

Doch es kommt der Tag, an dem unser letzter Feind beseitigt werden wird (1Kor 15:26)! Der Tag rückt immer näher, an dem der Tod gezwungen sein wird, auch das letzte Opfer, das er je in seiner Gewalt hatte, loszulassen. Was für ein schrecklicher Tag wird das für die Sünder sein, die in Rebellion gegen Gott gestorben sind und nun in Angst und Schrecken auferstehen müssen, um Gott im Endgericht zu begegnen! Doch für die Christen werden diejenigen, die wir so lange betrauert und vermisst haben, ihren Särgen und Gräbern entkommen und mit mehr Kraft und Leben als je zuvor vor uns stehen. An jenem Tag werden wir uns dem Jubelruf des Paulus anschließen: „Der Tod ist verschlungen in Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Totenreich, wo ist dein Sieg?“ (1Kor 15:54-55).

Welch ein glorreicher, wundersamer Tag wird das sein! Erst wenn wir den Ernst und die Grausamkeit des Todes begreifen, werden wir die Unermesslichkeit dieses endgültigen Sieges schätzen können.

 

Schw. Edel Neufeld

logo-sans-tagline.png

Diesen Post teilen

Leave a Comment