Vom Himmel gesandt

Im Lukasevangelium lesen wir den außergewöhnlichen und anschaulichen Bericht über einen Wortwechsel zwischen zwei Männern, die aus diesem Leben in die Ewigkeit übergegangen waren. Lazarus, der rechtschaffen gelebt hatte, wurde von den Engeln ins Paradies getragen, während der reiche Mann, der seine Seele vernachlässigt hatte, seine Augen nach seinem Tod im Totenreich erhob. Die Schrecken einer gottlosen Ewigkeit erlebend, musste der reiche Mann sich nun nicht nur mit der Realität seines eigenen besiegelten Schicksals auseinandersetzen, sondern auch mit dem Bewusstsein, dass seine Brüder – ohne darüber nachzudenken – auf direktem Wege auf das gleiche Verderben zusteuerten. Vielleicht wussten sie, dass sie in Gefahr standen, bestraft zu werden, allerdings hatten sie nicht die geringste Vorstellung von dem Ausmaß der Qualen, denen der reiche Mann nun ausgesetzt war. Er wusste, dass sie gewarnt werden mussten. In seiner Verzweiflung bat er darum, dass Lazarus zu ihnen geschickt würde, um sie zur Umkehr zu bewegen.

„Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn in das Haus meines Vaters sendest – denn ich habe fünf Brüder –, dass er sie warnt, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen! Abraham spricht zu ihm: Sie haben Mose und die Propheten; auf diese sollen sie hören! Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn jemand von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun! Er aber sprach zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, so würden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer aus den Toten auferstände!“ (Lk 16:27-31).

Das eindringliche Flehen des reichen Mannes ist rührend. Er erkannte die Dringlichkeit, diese Botschaft zu übermitteln. Er wusste, dass seine Brüder, wenn sie die Warnung nicht befolgten, zu einem Zustand der Qual verdammt waren, dessen Qualen und Unendlichkeit sie nicht begreifen konnten. Er selbst hatte Lazarus zu Lebzeiten verachtet, doch wenn Lazarus nun von den Toten auferstände, würden seine Brüder vielleicht auf ihn hören. Doch die Antwort war eindeutig: Sie sollen sich mit den Boten auseinandersetzen, die ihnen bereits gesandt worden waren. Wenn sie nicht auf die gewöhnlichen Boten hören wollen, werden sie auch den außergewöhnlichen kein Gehör schenken.

Dass eine solch schicksalhafte Entscheidung wie die Wahl des ewigen Schicksals der Seele der zeitgebundenen, schwächlichen Menschheit anvertraut wurde, ist ein erschütternder Gedanke. Der Mensch ist labil in seinem Verständnis, eingeschränkt in seinem Urteilsvermögen, schwach und begrenzt in der Reichweite seiner Vision. Da er mit Sinneseindrücken aus einer sehr vergänglichen Welt bombardiert wird und mit ihren zeitlichen Sorgen beschäftigt ist, besteht die Gefahr, dass er den wichtigeren Realitäten des zeitlosen Lebens oder Todes gegenüber blind ist. Ohne einen Boten aus jener anderen Welt läuft er Gefahr, sich zu irren, sich falsch einzuschätzen. Und der Preis für diesen Irrtum ist hoch.

Im Laufe der Geschichte sandte Gott immer wieder Boten, um die Menschen zu unterweisen und ihnen zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Einige dieser Boten waren übernatürliche Wesen, doch meistens kamen sie, wie Mose und die Propheten, in Gestalt von Menschen aus Fleisch und Blut. Gott weiß, wie hinfällig die Menschheit ist und kennt ihr Bedürfnis nach einem Führer, einem Hirten, einem Propheten, einem Wächter, einem Aufseher. Voll barmherziger Liebe schuf Er Menschen mit besonderer Begabung und Vision, berufen und beauftragt, den Mangel in der Vision der Menschheit zu beheben. Je nachdem, wie sie ihre Boten behandeln, lässt Er Menschen und Nationen gedeihen oder verurteilt sie entsprechend.

Lots Flucht aus Sodom hing von seiner Reaktion auf die Boten Gottes ab. Lot war ein rechtschaffener Mann, der geplagt wurde von den Übeltaten Sodoms. Als Gott Boten schickte, um ihn vor dem bevorstehenden Gericht zu warnen, empfing er dieselben freundlich und hörte auf ihre Botschaft. Dennoch kämpfte er damit, die volle Bedeutung ihrer Worte zu erfassen. Entweder war er zu träge, sich von alten Gewohnheiten zu lösen, oder er war einfach zu überwältigt, um im Augenblick der Krise klar denken zu können, und so setzte Lot sich durch sein Zögern in der dem Untergang geweihten Stadt großer Gefahr aus. Die Engel, die verstanden, was er nicht verstand, ergriffen seine Hand und die Hände seiner Familienangehörigen und brachten sie in Sicherheit. Er überlebte, indem er ihnen seine Hand darreichte.

Jakob, der kurz davor stand, seinem Bruder, den er betrogen hatte, gegenüberzustehen und sich alleine im Kampf mit Gott befand, erkannte, dass der Erfolg oder Misserfolg seines gesamten Lebens von seiner erfolgreichen oder erfolglosen Interaktion mit dem Engel abhing. Als die Nacht schon fortgeschritten war und der Kampf an Intensität zunahm, wurde er durch die Hand des Engels zum Krüppel; doch er fand den Mut, auszuharren, bis der Engel ihn segnete, und er verließ den Schauplatz als veränderter Mann.

Dies waren übernatürliche Begegnungen, aber sie sind bei weitem nicht die einzigen aufgezeichneten Fälle, in denen Gott eingriff, um Hilfe oder Gericht durch die Hand eines Boten zu senden, der in besonderer Weise mit dem Himmel in Verbindung stand. Durch Moses Hand wurde das Land Ägypten verurteilt und das Volk Israel aus der Knechtschaft befreit. Korah und seine Gefährten wurden von der Erde verschlungen, weil sie sich gegen den Mann Mose aufgelehnt hatten. Israel litt mehr als drei Jahre lang unter dem ausbleibenden Regen aufgrund des Wortes von Elia, sah aber auch, dass sich die Fenster des Himmels als Antwort auf sein Gebet wieder öffneten.

Auf die gleiche Weise wurde ein Prophet nach dem anderen von Gott zum Volk gesandt mit Botschaften der Warnung oder Ermahnung. Einige hörten auf sie und fanden Heilung, Errettung und Erleuchtung. Andere rebellierten zu ihrem eigenen Verderben.

Die Heilige Schrift spricht von einem himmlischen Schatz, der uns in irdenen (menschlichen) Gefäßen gesandt wurde (2Kor 4:7). Wie oft sind wir versucht, die Boten zu unterschätzen, die Gott mit einem ausdrücklichen Auftrag zu uns gesandt hat, um uns vor Irrtümern zu warnen oder um ein unerwartetes Vorhaben des Feindes aufzudecken? Wie oft sind wir versucht gewesen, ihre Botschaft in Frage zu stellen, weil sie nicht mit unserer Ansicht übereinstimmte? Sie sind menschlich. Sie sind einer von uns. Sie könnten sogar, wie Mose, Fehler gemacht haben. Sie erscheinen, während sie unter uns sind, in vielerlei Hinsicht wie gewöhnliche Menschen. Allerdings sind sie weit davon entfernt, lediglich gewöhnliche Menschen zu sein. Während wir nach Gottes Botschaften durch besondere Ereignisse oder ungewöhnliche Mittel suchen, stehen wir in der Gefahr, den außerordentlichen Wert der Boten zu übersehen, die uns gesandt wurden.

Wir haben nur ein Leben zu leben und nur eine Chance, die Wahl zu treffen, die uns zum ewigen Segen oder in die ewige Qual führen wird. Die Entscheidung ist zu groß, um sie leichtfertig zu treffen. Mögen wir unsere Herzen gegenüber der Botschaft des Himmels öffnen und uns im Glauben denjenigen zuwenden, die der Himmel uns gesandt hat.

 

Schw. Kara Braun

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